EIN DORF IN DER GESCHICHTE. Eine vierteilige Film- und Gesprächsreihe in Niederösterreich.

Achtung: dieser Eintrag ist nicht mehr aktuell!

Große historische Umbrüche spiegeln sich in kleinen Strukturen wider und umgekehrt spielt mitunter das Dorf eine weitreichendere Rolle im historischen Kontext. So z. B. die niederösterreichische Gemeinde Erlauf, wo sich in der Nacht zum 8. Mai 1945 Amerikaner und Russen zum Kriegsende die Hände reichten.

Die Film- und Gesprächsreihe, kuratiert von Alejandro Bachmann, geht an vier Orten in Niederösterreich den jeweils für diese Gemeinden spezifischen Wechselwirkung nach, indem sie Filme zeigt, vermittelt und zur Diskussion stellt.

 

1/ STUNDE NULL (D, Edgar Reitz, 1977)

Samstag, 11. Mai 2019, 15:30 Uhr, Museum ERLAUF ERINNERT

Gespräch mit Edgar Reitz

Shuttle*: Hinfahrt: 13:30 Uhr, Rückfahrt: 20:00 Uhr

 

2/ POSTADRESSE: 2640 SCHLÖGLMÜHL (A, Egon Humer, 1990)

Freitag, 7. Juni 2019, 19:00 Uhr, Kinosaal Golling

Gespräch mit den ehem. Bürgermeistern Theo Fischer und Helmut Wöginger

Shuttle*: Hinfahrt: 17:00 Uhr, Rückfahrt: 22.00 Uhr

 

3/ UND IN DER MITTE, DA SIND WIR (A, Sebastian Brameshuber, 2014)

Donnerstag, 10. Oktober 2019, 19:00 Uhr, Tischlerei Melk/Kulturwerkstatt

Gespräch mit Sebastian Brameshuber und SchülerInnen des Stiftgymnasiums im Rahmen des Vermittlungsprojektes in Kooperation mit Christian Rabl und Johanna Zechner / Zeithistorisches Zentrum Melk.

Selbstständige Anreise.

 

4/ AMATEURFILME aus den Sammlungen des Österreichischen Filmmuseums und des Projektes „NÖ privat“ – eine Initiative des Landes Niederösterreich mit dem Filmarchiv Austria

Freitag, 29. November 2019, 19:00 Uhr / Haus der Geschichte, St. Pölten

Gespräch mit den HistorikerInnen Paolo Caneppele, Ulrich Schwarz-Gräber, Brigitte Semanek  und der Archivarin Stefanie Zingl

Selbstständige Anreise.

 

Der Eintritt zu den Veranstaltungen ist frei.

 

*Shuttlebus ab 15 TeilnehmerInnen ab Wien zwischen Universität und Rathauspark. Um Anmeldung wird gebeten bis 2 Tage vor Veranstaltungstermin unter +43 (0) 2742 9005 13504 oder publicart@noel.gv.at. Unkostenbeitrag: 5,- 

 

 

„Ein Dorf in der Geschichte“ ist ein Projekt von Kunst im öffentlichen Raum NÖ in Kooperation mit den Marktgemeinden Erlauf und Golling, dem Zeithistorischen Zentrum Melk und dem Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich St. Pölten.

 

 

EIN DORF IN DER GESCHICHTE.

 

KLEINE ORTE, GROSSE UMBRÜCHE – EINE WECHSELWIRKUNG

Welche Rolle spielen Dörfer im Nachdenken über und Erinnern an Umwälzungen der Geschichte des 20. Jahrhunderts? Wie spiegelt sich das vermeintlich Große in diesen kleinen und vertrauten Gefügen gesellschaftlichen Zusammenlebens? Wird im Blick auf das Dorf – in seiner Überschaubarkeit und Verdichtung – vielleicht etwas Gewohntes in besonderer Weise oder auch etwas Übersehenes sichtbar, das in den Komplexitäten und Verstrickungen globaler Zusammenhänge nur schwer greifbar ist? Mit diesen Fragestellungen versucht das vierteilige Projekt, aufschlussreiche Resonanzen im Zusammenspiel von Orten, Filmen und Gesprächen mit Regisseuren, Bürgermeistern, SchülerInnen und nicht zuletzt mit dem Publikum zu erzeugen.

 

VIER ORTE, VIER THEMEN, VIER FILM- UND GESPRÄCHSVERANSTALTUNGEN

So werden historische Verknüpfungen zum Dritten Reich bzw. Ende des Zweiten Weltkriegs in Erlauf und Melk anhand eines Spiel- und eines Dokumentarfilms in den Blick gerückt, um im anschließenden Gespräch mit den Regisseuren den poetischen Akt der Vergegenwärtigung von Geschichte zu befragen. In Golling, wo globale, wirtschaftliche Umwälzungen mit der Schließung der HITIAG (Hanf-, Jute- und Textilindustrie-Aktiengesellschaft) 2001 in der Gemeinde deutliche Spuren hinterlassen haben, wird ein Dokumentarfilm gezeigt, der einen in Teilen vergleichbaren Vorgang und seine Folgen in Schlöglmühl dokumentiert. Eigens für die Film-Projektion öffnet der ehemalige Kinosaal in Golling noch einmal seine Tore.

Zum Abschluss des Projektes wird der private filmische Blick auf die größeren Bögen der Geschichtsschreibung im 20. Jahrhundert ins Zentrum gestellt und im Haus der Geschichte in St. Pölten mittels Amateurfilmen gezeigt und diskutiert. 

 

 

PROGRAMM

 

STUNDE NULL (D, Edgar Reitz, 1977)

Samstag, 11. Mai 2019, 15:30 Uhr

Museum ERLAUF ERINNERT

Gespräch mit dem Regisseur

 

Der Auftakt der Reihe findet während der diesjährigen Friedenstage in Erlauf statt. Der im Museum ERLAUF ERINNERT präsentierte Film von Edgar Reitz spielt kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs im Dorf Möckern bei Leipzig und erzählt die Geschichte des Teenagers Joschi, der auf mehrere Gestalten trifft, welche auf ganz verschiedene Weise mit der bevorstehenden Übergabe der Verwaltung von den Amerikanern an die Russen umgehen und dabei auch ihre Verwicklung in die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges offenlegen.

 

Auf vielfache Weise spiegeln sich im Film die Erfahrungen Erlaufs direkt nach dem Krieg wider, die im Anschluss an die Projektion mit dem Regisseur und dem Publikum erörtert werden sollen. Das filmische Werk von Edgar Reitz setzt sich immer wieder – am bekanntesten wohl in seiner „Heimat“-Serie – mit dem Dorf und seiner Rolle im Kontext historischer Ereignisse auseinander.

 

POSTADRESSE: 2640 SCHLÖGLMÜHL (A, Egon Humer, 1990)

Freitag, 7. Juni 2019, 19:00 Uhr

Kinosaal Golling

Gespräch mit den Altbürgermeistern Theo Fischer und Helmut Wöginger

 

In GOLLING wird der stillgelegte Kinosaal für diesen Filmabend wieder zum Leben erweckt.

Egon Humer beleuchtet in seinem Dokumentarfilm die Auswirkungen der Schließung einer Papierfabrik auf die Gemeinde Schlöglmühl, ein Ereignis, das in vergleichbarer Weise auch in Golling stattgefunden hat: 1919 erwarb dort die Erste österreichische Jute-Spinnerei und -Weberei (HITIAG) eine Fabrik, baute Häuser eigens für die ArbeiterInnen und war bis 1945 eine der größten Textilfabriken in Europa – und der zentrale Arbeitgeber in Golling. Die Schließung der Fabrik 2001 war für den Ort ein erheblicher Einschnitt, in dem sich aber größere Tendenzen der Globalisierung widerspiegeln.

 

Im Gespräch mit den beiden Altbürgermeistern sollen die Parallelen zwischen den Ereignissen im Ort mit jenen aus dem Film herausgearbeitet und gemeinsam mit dem Publikum diskutiert werden.

 

 

UND IN DER MITTE, DA SIND WIR (A, Sebastian Brameshuber, 2014)

Donnerstag, 10. Oktober 2019, 19:00 Uhr

Tischlerei Melk Kulturwerkstatt

Gespräch mit Sebastian Brameshuber und SchülerInnen des Stiftgymnasiums

 

Brameshuber‘s Film beschäftigt sich mit Jugendlichen in Ebensee und begleitet vier Teenager ein Jahr lang durch ihren Alltag. Sowohl die Tatsache, dass sie auf dem Gelände eines ehemaligen Konzentrationslagers leben, als auch die Ereignisse rund um die KZ-Gedenkfeier im Jahr 2009 bilden dabei den Hintergrund des Films. Im Zentrum aber steht die Frage, wie man an solch einem Ort, der in dieser Weise in die Geschichte verwoben ist, aufwächst, lebt und von außen wahrgenommen wird.

 

Im Rahmen eines Workshops wird der Regisseur den Film mit SchülerInnen des Stiftgymnasiums ansehen und besprechen, um anschließend mit ihnen und dem Verein „MERKwürdig“ an filmischen Miniaturen zu arbeiten, die danach fragen, in welcher Weise hier das ehemalige KZ-Außenlager Melk im Alltag der SchülerInnen eine Rolle spielt.

 

Bei der Filmvorführung am 10. Oktober wird eine Auswahl der SchülerInnen-Arbeiten gemeinsam mit Brameshuber‘s Film in der „Tischlerei Melk Kulturwerkstatt“ vorgestellt und besprochen.

 

AMATEURFILME aus den Sammlungen des Österreichischen Filmmuseums und des Projektes „NÖ privat“ – einer Initiative des Landes Niederösterreich und des Filmarchivs Austria

Freitag, 29. November 2019, 19:00 Uhr

Haus der Geschichte, St. Pölten

Gespräch mit Paolo Caneppele (Historiker), Ulrich Schwarz (Historiker) Brigitte Semanek (Historikerin) und Stefanie Zingl (Archivarin)

 

Der vierte Programmpunkt nimmt sich der Frage an, welches Wissen über das Ineinander dörflichen Lebens und geschichtlicher Ereignisse in Filmen von AmateurfilmemacherInnen steckt.

 

Das Österreichische Filmmuseum und „NÖ privat“ setzen sich derzeit intensiv mit der Sicherung und Erforschung Amateur-Materials auseinander und stellen für die Veranstaltung eine Auswahl zusammen.

 

In Gesprächsrunde wird es sowohl um die Filmauswahl gehen und die Frage, wie Geschichte in ihnen sichtbar wird, als auch um Aspekte des kuratorischen Umgangs mit diesen Materialien.

 

ALEJANDRO BACHMANN studierte Filmwissenschaft und Amerikanistik in Mainz und Wellington, Neuseeland. Er ist Kulturarbeiter mit Schwerpunkten im Vermitteln von und Schreiben über Film sowie in der Zusammenstellung von Filmprogrammen. Von 2010 bis 2017 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Österreichischen Filmmuseum Herausgeber von Räume in der Zeit. Die Dokumentarfilme von Nikolaus Geyrhalter (Sonderzahl 2015) und Co-Herausgeber von Echos. Zum dokumentarischen Werk Werner Herzogs (Vorwerk 8 2018), Associate Editor des FOUND FOOTAGE MAGAZINE und des Film Education Journal.

 

29.04.2019